Schönes und Hässliches

Mittwoch, 14. Juni 2017, 09:32 Uhr
~3 Minuten Lesezeit

Schönes und Hässliches
Über die gesellschaftspolitische Dimension eines ästhetischen Merkmals.

von Magda von Garrel 

Schon vor längerer Zeit habe ich damit begonnen, mir einige Gedanken zum Thema "Schönes und Hässliches" zu machen. Doch dann habe ich mich in Anbetracht der politischen Turbulenzen der letzten Tage gefragt, ob es überhaupt noch Sinn macht, sich mit einem derartigen Thema zu beschäftigen. Inzwischen steht für mich fest, dass diese Frage eindeutig zu bejahen ist, da die zu beobachtende Verteilung von Schönem und Hässlichem weder als zufällig noch als irrelevant abgetan werden kann.
Doch zunächst einige Gedanken zur Relativität des Schönheitsbegriffs: Nach einem oft zitierten Satz liegt die Schönheit im Auge des Betrachters. Und für Schönheitsideale gilt, dass sie sehr kulturabhängig sein und/oder als Statussymbole verstanden werden können. Das gilt insbesondere für das Dicksein, über das wir gerne witzige Bemerkungen hören wie: Man kann nicht eine dicke Frau und zugleich viel Platz im Bett haben.

Demgegenüber frönen wir in den westlich geprägten Ländern einem Schlankheitsideal, das viele Menschen dazu bringt, sich - ungeachtet der damit oft einhergehenden gesundheitlichen Risiken - körperlichen Qualen und/oder Eingriffen zu unterziehen, um diesem Ziel näher zu kommen.

Auch in der Kunst sind unterschiedliche Betrachtungsweisen gang und gäbe. Ob es sich nun um Musik, Malerei, Bildhauerei, Theater oder Literatur handelt: Was den einen anzieht und entzückt, lässt den anderen kalt oder stößt ihn sogar ab.

Dass es in ästhetischer Hinsicht aber auch weitgehende Übereinstimmungen geben kann, zeigt die in bestimmten Medien zelebrierte Berichterstattung über die "Schönen und Reichen", die der als beinahe "natürlich" empfundenen Verbindung von Schönheit und Reichtum ein Gesicht geben. In nicht personalisierter Form gilt das vor allem für die Art des Wohnens: Während die Reichen in luxuriösen, kostbar dekorierten und äußerst gepflegten Häusern oder Anwesen leben, müssen die Armen schon froh sein, wenn die zumeist beengten Wohnungen schimmel- und ungezieferfrei sind.

Noch weitaus krasser fallen die in den weniger industrialisierten Ländern anzutreffenden Unterschiede aus: Auf der einen Seite die Wohnpaläste und auf der anderen Seite die häufig einsturzgefährdeten und/oder neben riesigen Müllhalden gelegenen Wellblechhütten.

Doch ungeachtet der nicht überall gleich schlimmen Verhältnisse lässt sich sagen, dass es weltweit auch im Hinblick auf Schönheit und Hässlichkeit eine extreme Ungleichverteilung gibt. Umso erstaunlicher ist, dass dieser Punkt in den zur Verteilungsgerechtigkeit geführten Diskussionen immer wieder übersehen wird. Ganz so, als ob es sich hierbei um ein äußerst triviales Problem handeln würde.

Dabei ist genau das Gegenteil der Fall. Menschen, die inmitten von Tristesse und Perspektivlosigkeit leben, bräuchten mehr als andere das Erleben von Schönheit, um nicht vollends zu verrohen. Und dazu gehören auch die hierzulande in der so genannten relativen Armut lebenden Menschen.

Deshalb ist es immer wieder zu kurz gesprungen, wenn ein Mehr an kultureller und sozialer Teilhabe gefordert wird. Es sei denn, dass die kulturelle Teilhabe explizit auf das Erleben von Schönheit ausgerichtet ist.

Hierzu könnte auch eine anders strukturierte Schule einen Beitrag leisten, d.h. eine Schule, die nicht stur auf das Erbringen kognitiver Leistungen fixiert ist, sondern sich mit gleichem Eifer um die Erschließung ästhetischer Inhalte bemüht.

Besonders wirkungsvoll wäre es, wenn sich das Erleben von Schönheit mit einem eigenen Tun verbinden ließe. In der Schule könnte es dabei um die Herstellung hübscher Gebrauchsgegenstände oder die Anfertigung dekorativer Schmuckstücke gehen. Dabei sind - bis zum Erleben sprachlicher Schönheit - auch ganz andere Kombinationen denkbar, aber wichtig ist in jedem Fall die Erfahrung, Schönheit nicht nur genießen, sondern auch selbst schaffen zu können.


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